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Krebs betrifft die ganze Familie

Auch Angehörige sollten Ängste und Sorgen aus- und ansprechen

Frau Prof. Dr. rer. nat. Tanja Zimmermann ist Professorin für Psychosomatik und Psychotherapie mit Schwerpunkt Transplantationsmedizin und Onkologie an der Medizinischen Hochschule Hannover. Täglich ist sie im Austausch mit Krebspatienten und deren Angehörigen und kennt deren Situation, Gedanken und Ängste. Im Interview spricht sie darüber, wie eine Krebserkrankung nicht nur das Leben des Betroffenen selbst, sondern auch das der Angehörigen verändert

Inwieweit sind auch Angehörige von der Krebserkrankung eines Familienmitglieds betroffen?

Die Diagnose „Krebs“ trifft meist die gesamte Familie. Wir forschen seit einigen Jahren wissenschaftlich zu diesem Thema und können zeigen, dass auch die Partner der Betroffenen durch die Erkrankung massiv belastet sind. Dafür hat sich der Begriff „We disease“ etabliert. Er beschreibt gut, dass eine Krebserkrankung chronischen Stress für beide Partner darstellt. Dabei können sich die Belastungen sehr unterschiedlich äußern. Die Studienlage zu Geschlechterunterschieden bei der psychischen Belastung ist unklar, ebenso das Ausmaß an Belastung für minderjährige Kinder krebskranker Eltern.

Bei einer psychoonkologischen Betreuung des Betroffenen hat auch der Partner die Möglichkeit, sich helfen zu lassen. Bei der Aufnahme von Kindern in die Behandlung stehen wir noch ganz am Anfang. Ich finde es jedoch sehr wichtig, dass auch diese mit einbezogen werden und dass ihnen die Erkrankung des Elternteils nicht verschwiegen wird.

Welche Themen belasten Angehörige aus Ihrer Erfahrung am meisten?

Viele Partner – egal ob (Ehe-)Mann oder (Ehe-)Frau – berichten, dass die Erkrankung für sie genauso belastend sei, wie für den Betroffenen selbst. Die größte und meist unausgesprochene Angst dreht sich um den möglichen Verlust des geliebten Menschen und wie es mit der Familie dann weitergehen soll. Das sind Gedanken, die Angehörige – vor allem auch dann, wenn Kinder da sind – sehr beschäftigen und bewegen. 

Oft äußert der nicht-erkrankte Partner allerdings die eigenen Sorgen und Ängste nicht, um den anderen nicht zu belasten. Wir sprechen dann vom sogenannten „Protective buffering“. Leider kommt das oft vor und wirkt sich zusätzlich ungünstig auf die Beziehung zwischen Betroffenem und Partner aus. Der Erkrankte bemerkt eine Zurückhaltung beim Partner und interpretiert sie oft falsch, z.B. als Desinteresse. Um diese unnötige Spannung gar nicht erst entstehen zu lassen, raten wir Angehörigen: „Versuchen Sie sich zu öffnen und auch Ihre Ängste und Sorgen anzusprechen.“ Natürlich soll das Thema „meine Belastung durch deine Erkrankung“ nicht den ganzen Tag bestimmen. Aber eine gewisse Balance ist notwendig. Die Sorgen und Belastungen des Partners ganz auszuklammern, ist nicht hilfreich.

Wann würden Sie Angehörigen raten, sich Hilfe und Unterstützung zu suchen?

Gibt es „Warnzeichen“ oder „Symptome“?

Es ist wichtig, dass Angehörige in sich hineinhören und sich fragen: „Was macht die Erkrankung meines Partners mit mir? Was löst sie bei mir aus?“ Wichtig ist dann auch, sich zu trauen, Hilfe zu holen. Die Unterstützung muss nicht gleich professioneller Art sein. Es kann schon ausreichen, mit einer Freundin oder einem Freund zum Kaffeetrinken zu gehen oder etwas zu unternehmen, um auf andere Gedanken zu kommen. Viele Angehörige versuchen anfangs, sich voll auf den Patienten zu fokussieren, damit es ihm oder ihr bald wieder besser geht. Dabei stellen sie sich selbst hinten an. Das ist eine Zeit lang auch in Ordnung, kostet aber auch sehr viel Kraft. 

Für Angehörige ist es auch oft wichtig zu verstehen, dass belastende Gefühle – wie Angst, manchmal auch Wut oder Scham – und Hilflosigkeit kein Zeichen von Schwäche sind. Es ist in Ordnung, sie zuzulassen. Dafür braucht man sich nicht zu schämen und auch nicht zu denken: „Jetzt bin ich schwach, weil ich mit der Erkrankung meines Partners nicht zurechtkomme“. Es ist nicht gut, auf Dauer funktionieren zu wollen und dabei zu vergessen, die eigenen Akkus aufzutanken. Das langfristige Verdrängen dieser Gefühle kann sich z.B. in einer gesteigerten Infektanfälligkeit oder in psychischen Problemen bis hin zu Depressionen äußern. Leider ist die Hürde, sich Unterstützung zu holen, noch ziemlich hoch. 

Manchmal fragen uns auch Patienten direkt, ob wir nicht mit ihrem Partner sprechen können, weil dieser mit der Situation nicht zurechtkommt. In der Regel sehen wir die Angehörigen ja nicht, sodass wir sie leider auch nicht von uns aus ansprechen können.

Welche psychoonkologischen Unterstützungsangebote können Angehörige in Anspruch nehmen?

Gibt es spezielle Angebote?

Verschiedene Krebszentren, wie z.B. Brustkrebs- oder Darmkrebszentren, sind verpflichtet, psychoonkologische Betreuung anzubieten. Wenn Betroffene dort stationär behandelt werden, können sie um eine psychoonkologische Betreuung bitten. Die psychoonkologische Unterstützung ist dann auch für Angehörige kostenlos. Es gibt auch viele Kliniken, die die Möglichkeit einer psychoonkologischen Unterstützung ambulant anbieten. Diese soll keine Psychotherapie im klassischen Sinne ersetzen, sondern als erster Kontakt mit einem professionellen Gesprächspartner entlastend wirken.

Auch (Krebs-)Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen haben psychoonkologische Angebote. Das können Einzelgespräche mit einem Psychoonkologen sein oder auch in einer Gruppe mit anderen betroffenen Angehörigen. 

Sollte die Belastung dauerhaft als sehr stark wahrgenommen werden, sich eine Depression oder Angsterkrankung daraus entwickeln, empfiehlt sich eine psychotherapeutische Behandlung.

Wie läuft ein Besuch bei einem Psychoonkologen ab?

Der Arzt bzw. Therapeut nimmt sich meist in einem 30-50-minütigen Gespräch Zeit, um dem Betroffenen bzw. Partner einfach zuzuhören oder intensiv über die Belastungen zu sprechen. Schon jemandem von den eigenen Ängsten und Sorgen erzählen zu können, kann sehr hilfreich sein. Der Psychoonkologe unterstützt dabei, die Gedanken zu ordnen, sie als hilfreich oder als nicht hilfreich zu bewerten, und gibt Anleitung, wie mit ihnen umgegangen werden kann. Er kann auch dazu ermutigen, mit dem Partner zu sprechen oder diesen im Rahmen eines Paargesprächs einzubeziehen. Die Themen in so einem Gespräch sind immer ganz individuell und ergeben sich daraus, welche der Betroffene bzw. Angehörige mitbringt. Ein Psychoonkologe kann Betroffenen und deren Angehörigen in dieser oft lang andauernden Belastungssituation, in der sie vielleicht keinen klaren Gedanken fassen und sich überfordert fühlen können, eine Struktur im Leben zurückgeben.

Webinar verpasst? In unserer Mediathek finden Sie verschiedene Videos zu Vorträgen, die sich explizit auch an Angehörige richten, z.B.:

  • „Krebs und Familie – Auswirkungen einer onkologischen Erkrankung auf Patienten und Angehörige“
  • „Umgang mit Ängsten im Rahmen einer Krebserkrankung“
  • „Kommunikation mit Familie und Freunden bei einer Krebserkrankung“
  • „Sexualität und Partnerschaft bei Krebs – (k)ein Tabuthema?“

Seltene Krebserkrankungen: Wie erkläre ich meinen Angehörigen, was z.B. ein Multiples Myelom oder ALK-positiver Lungenkrebs ist? Unsere Erklärvideos unterstützen Sie mit einfachen Worten und anschaulichen Illustrationen.

Was ist ein Multiples Myelom?

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Was ist ALK positiver Lungenkrebs?

Lungenkrebs war im Jahr 2014 bei Männern in Deutschland die zweithäufigste und bei Frauen die dritthäufigste Krebsneuerkrankung. Im frühen Erkrankungsstadium kommt es nur selten zu Beschwerden. Deshalb wird Lungenkrebs oft erst diagnostiziert, wenn er schon fortgeschritten ist. Lungenkrebs entsteht aus Zellen in der Lunge, die sich genetisch verändert haben. Es gibt unterschiedliche Formen von Lungenkrebs. Eine davon ist der sogenannte nicht-kleinzellige Lungenkrebs, an dem 80 bis 85 Prozent aller Lungenkrebspatienten erkranken.1,2,3

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